Von der Sonne gut aufgewärmt, geht es weiter mit dem Roller nach Positano. Mittlerweile ist es so warm geworden, dass ich die vielen Schichten meines Gewandes ablegen kann und nur mit einer dünnen Jacke bekleidet und den offenen Schuhen auskomme. Bedarf es da noch mehr Dolce Vita als wird gerade genießen? Den Serpentinenstraßen folgend, nähern wir uns dem berühmten Küstenabschnitt. Die Stadt selbst erreichen wir durch einen steil bergabführenden Steinweg, über kurvenreiche und schmale Altstadtgassen. Während der Sommermonate muss der Küstenort wohl aus allen Nähten platzen, denn in Realität ist Positano viel kleiner als erwartet! Beinahe alle Cafés und Boutiquen befinden sich noch im Winterschlaf, viele Häuschen werden frischen gestrichen und restauriert. Aber zumindest genießt man hier Ruhe und Abgeschiedenheit, wie sie zur Hochsaison ganz gewiss nicht gegeben wäre. In einem der wenigen geöffneten Cafés finden wir einen schönen Platz auf der sonnengefluteten Terrasse, mit direktem Blick aufs Meer und auf die bunten Häuser, die sich eng an die Felsküste krallen. Der Sonnenuntergang muss hier wahrhaft spektakulär wirken! Die bunte Kuppel der Kirche Santa Maria Assunta ist von hier oben aus betrachtet, besonders sehenswert. Nach einer gefühlten Ewigkeit begeben wir uns auf die Suche nach einem Restaurant und werden direkt an der Bucht fündig. Immerhin hat es eine Gruppe asiatischer Touristen auch hierher geschafft und wir sind doch nicht die Einzigen. Der frische Fisch schmeckt direkt neben dem Meer gegessen, einfach nochmal viel besser. Ein Straßenkünstler hat seine Staffelei ausgepackt und versucht die Szenerie einzufangen. Es gibt Orte auf dieser Welt, die lassen sich nicht durch Worte oder Bilder einfangen, sie müssen mit dem Herzen betrachtet werden – Positano zählt gewiss dazu. Wir nehmen uns viel Zeit und genießen den Moment. Noch einmal halte ich meine Füße ins kühle Wasser, dann verabschiede ich mich für ungewisse Zeit vom Meer, lasse meine Blicke in die Ferne schweifen. Als wir dann den Heimweg antreten, sehen wir den Sonnenuntergang von unserem Roller aus betrachtet aus nächster Nähe. Ein prächtiges Farbenspektrum aus orange, lila und rosarot – ein gelungener Tagesausflug an der Costiera Amalfitana neigt sich dem Ende zu.
Mittlerweile ist es, bedingt durch den Fahrtwind, klirrend kalt auf dem Roller geworden. Das erwartete Verkehrschaos schlägt natürlich auf der A3, Richtung Innenstadt gnadenlos zu! Scheinbar existieren in dieser Stadt keine Verkehrsregeln, auch die Fahrspur ist nur nette Dekoration auf dem Asphalt. Wo sich eine Lücke zwischen den fahrenden Autos auftut, da flitzen die Roller hindurch. Im Slalom wird sich ein Weg durch den starken Abendverkehr gebahnt. Als würde man einen Faden in ein schmales Nadelöhr pressen, quetschen sich die Roller zwischen den Autos, bei vollem Tempo, hindurch. Dennoch wirken die Verkehrsteilnehmer gelassen ob des Chaos – wenn man tagtäglich mit dem gefährlichsten Vulkanberg Europas leben muss, sind chaotische Verkehrsszenarien gewiss die geringste Sorge! Derartiger Fahrstil gleicht einem Kunstwerk und voller Anerkennung danke ich den Göttern dafür, dass sie uns am Ende des Tages wieder heil nach Hause geleiten. „Vedi Napoli e poi muori“, Neapel sehen und sterben – bestimmt hatte der Verfasser dabei das neapolitanischen Verkehrschaos vor Augen – zum Glück hat sich der berühmte Spruch nicht bewehrt!