Neapel steht im Rufe, die beste Pizza der Welt zu kreieren. Hier wurde das Handwerk des Pizzabackens offiziell von der UNESCO zum Kunstgegenstand erklärt „Die Kunst der neapolitanischen Pizzaioli“. Zugegeben, ich bin kein großer Fan der deftigen kulinarischen Erfindung, dennoch sagt mir mein Hausverstand, dass jedem Klischee ein Körnchen Wahrheit anhaftet! Schließlich sollte doch ein Land nicht nur mit dem Auge sondern auch mit dem Magen erschlossen werden. Am letzten Tag meines Städtetrips nach Neapel möchte ich dem kulinarischen Mythos daher auf den Grund gehen. Doch wo findet man die beste Pizza der Welt? Mein Reiseführer und einige Blogger plädieren einstimmig für die L’Antica Pizzeria da Michele. Also machen wir uns auf in die Via Cesare Sersale 1. Vollkommen unprätentiös erscheint der vielgerühmte Pizzatempel von außen, auf seine celebrità verweist lediglich die Traube an wartenden Menschen vor der Eingangstüre. Das Prozedere beginne folgendermaßen: man gehe in das Lokal, ziehe eine Nummer und warte, bis der Kellner besagte Nummer aufruft – dazwischen liegen 1 bis 1,5 Stunden Wartezeit – obwohl es ca. 15 Uhr ist, also nicht klassische Essenszeit! Für die beste Pizza der Welt nimmt man dies doch gerne in Kauf….Es herrscht Hochbetrieb und immer wieder öffnet sich die Eingangstüre, spuckt bereits gesättigte Kunden aus und öffnet seine heiligen Pforten den noch Wartenden. Für die Italiener dürfte dies keinen Umstand bedeuten, die meisten organisieren sich in der Zwischenzeit ein Bier in der Bar nebenan und warten fröhlich, bis sie an der Reihe sind. Nach über einer Stunde Wartezeit platzt mir beinahe der Kragen – rechtfertigt der Genuss wirklich diese vergeudete Stunde?? Aber schließlich sind auch wir an der Reihe! Man betritt das spartanisch eingerichtete Lokal, bekommt einen der Tische zugewiesen, die Bestellung wird rasch aufgenommen. Zur Auswahl stehen lediglich zwei Optionen: Pizza Margherita und Pizza Marinara, beide in drei unterschiedlichen Größen, optional mit einer Extraportion Mozzarella. Besonders schmerzhaft ist jedoch die Tatsache, dass es hier KEINEN Wein gibt! Die Pizza wird innerhalb kürzester Zeit ganz frisch im Holzofen zubereitet. Von unserem Platz aus können wir den Pizzabäcker beobachten, wie er unermüdlich seine Teigkreise in die Luft wirbelt. Als das fertige Kunstwerk dann serviert wird bin ich ob des Ergebnisses überrascht: der Teig ist knusprig und duftig leicht, mit Tomaten-Belag, ein wenig Käse und einem Blatt Basilikum wirkt sie in ihrer Aufmachung eher ungekünstelt – das soll die beste Pizza der Welt sein? Natürlich, die ausgewählten und eigens zulässigen Zutaten der Rezeptur (Mehl Tipo-00, San-Marzano-Tomaten, Büffelmozzarella) sprechen eindeutig gegen ein Massenprodukt, aber unter dem Strich habe ich mir insgeheim doch mehr erwartet…Mit Preisen zwischen 4 und 5 Euro pro Pizza bin ich jedoch wieder versöhnlich gestimmt. Vielleicht fehlt mir einfach der feine Gaumen für derlei Genuss? Immerhin hat Julia Roberts in dem Film „Eat, Pray, Love“ in selbiger Pizzeria verkünden lassen, sie habe eine Affäre mit ihrer Pizza! Zumindest macht niemand der L’Antica Pizzeria da Michele seinen Kultstatus streitig und wenn man starke Nerven und nicht allzu viel Hunger mitbringt, kann der Restaurantbesuch unter der Kategorie „Lebenserfahrung“ abgehakt werden.
Mein Fazit: Ob ich heute tatsächlich die beste Pizza der Welt gegessen habe, sei dahin gestellt, zumindest habe ich heute definitiv die längste Wartezeit auf eine Pizza hinter mich gebracht.