Jakobsweg,  Spanien

Jakobsweg #8 – Wo sich der Sternenweg mit dem Weg des Windes kreuzt

Von Pamplona nach Puente la Reina…

Die Nacht in dem schönen Hostel entwickelt sich zum Alptraum. Obwohl ich mich für ein 4-Bett Zimmer im Frauenschlafsaal entschieden habe, gibt es tatsächlich eine Person (ja, eine FRAU) die die Wände mit ihrem Schnarchkonzert zum Erzittern bringt. Um 5:00 Uhr früh gebe ich die Hoffnung auf, noch Schlaf zu finden. Genervt und gereizt stehe ich als eine der Ersten auf und erledige das Morgenritual. Die Stadt ist noch in Dunkelheit gehüllt. Eigentlich wollte ich erst bei Tageslicht zur nächsten Etappe aufbrechen, da ich nun aber schon mal wach bin, kann ich ebenso gut früher starten. Langsam füllt sich der Aufenthaltsraum, die Pilger packen geräuschvoll ihre Rücksäcke und rüsten sich für den bevorstehenden Tag. Um 6:20 Uhr beschließe ich, in den Tag zu starten. Zum ersten Mal benötige ich meine Lampe um mich in der dunklen Stadt zurecht zu finden. Wo verstecken sich denn nur die gelben Pfeile? Absolut niemand ist um diese Uhrzeit unterwegs, keine Pilger und schon gar keine Bewohner. Als ich endlich die einsame Parkallee hinter mir lasse, tauchen zu meiner Erleichterung endlich andere Pilger auf. Als ich ein kleines Café passiere, entdecke ich meine Pilgermama Regina. Schön langsam kann ich nicht mehr an Zufälle glauben. „Der Weg gibt dir immer genau das, was du gerade brauchst“, versichert sie mir lachend.

Pilgeralltag des Morgens in der Herberge - Proviant, Rucksäcke und Chaos

Beschwingt starten wir gemeinsam los. Es geht bereits die Sonne auf, als wir die Stadt endlich hinter uns lassen. Ich traue meinen Augen kaum, als ich graue Regenwolken am sonst so sonnigen spanischen Horizont entdecke. Regen!! Mein Regenponcho darf Premiere feiern. Es klingt absurd – aber ich freue mich über die Maßen, dass das Wetter so saumäßig ist. An schlammigen Pilgerpfaden vorbei, tauchen wir ein in die öde Feldlandschaft. Gepflügte leere Felder vermitteln ein gewisses Flair von Endzeitstimmung. Nach gut zwei Stunden hört es auf zu Regnen. An kleinen Dörfchen vorbei, führt der Weg stetig bergauf zur Passhöhe Puerto del Perdón. Regina und ich verstehen uns blendend und sind in jeglicher Hinsicht auf einer Wellenlänge. Es wird viel gelacht und gewitzelt, trotzdem wird heute ein flottes Tempo an den Tag gelegt, sodass wir zügig vorankommen. Als wir den Gipfel des Passes, den Alto del Perdón erreichen, weht uns ein frischer Wind um die Ohren. “Donde se cruza el camino del viento con el de las estrellas” – „Wo sich der Sternenweg mit dem Weg des Windes kreuzt“, so verkündet ein Spruch auf dem Skulpturen Parcours des navarresischen Künstlers Vicente Galbete, ein Arrangement eines mittelalterlichen Pilgerzuges, angefertigt aus Wellblech. Mir gefällt das künstlerische Element vor der Kulisse der spanischen Hügellandschaft. Es werden noch Fotos für die Nachwelt festgehalten und dann führt uns der Weg zum Glück wieder bergab, Richtung Puente la Reina.

Die Stadt verdankt ihren Namen der selbigen Brücke, welche bereits im 11. Jahrhundert den Pilgerströmen die Querung des Flusses Arga ermöglichte. Hier trifft der aragonesische Pilgerweg mit dem Camino Francés zusammen. Ich freue mich sehr auf die geschichtsträchtige Stadt – und auf mein Einzelzimmer! Auch Regina möchte sich heute den kleinen Luxus eines eignen Bettes gönnen und so quartiert sie sich spontan mit mir in der privaten Herberge „Jakue“ ein. Nach einer kurzen siesta hält uns nichts mehr – wir wollen durch die Straßen von Puente la Reina streifen. Die kleine Stadt gefällt mir auf Anhieb! Die romanischen Altstadtgassen, die schmucke Plaza Mayor mit ihren Arkadenbögen, sowie die kleinen Läden entlang der Calle Mayor haben es mir angetan. Besonders beeindruckend ist jedoch die Brücke selbst. Wir besuchen die Kirche Iglesia del Crucifijo und begeben uns im Anschluss auf die Suche nach einer schön versifften spanischen Bar – wir wollen es doch traditionell halten! Regina schwärmt ebenso für guten Wein wie ich. Wir wechseln die Lokalität, auf der Suche nach navarresischen Spezialitäten. Dabei treffen wir den wohl skurrilsten Mitpilger entlang des Caminos – ein „Urviech“ aus Tirol, Respekt vor meinen Landsleuten! Nach 15 Minuten kennen wir seine ganze absurde Lebensgeschichte – Schwere Kindheit, Alkohol- und Drogensucht, innerhalb weniger Tage hat er sich dazu entschlossen, auf Pilgerreise zu gehen da er wie durch ein Wunder einen schweren Autounfall unbeschadet überlebt hat. Des Weiteren wissen wir nun, dass sein ganzes Gepäck unterwegs verloren gegangen ist, er oft und gerne barfuß oder oben ohne wandert und dass er eine künstlerische Ader hat – er schnitzt Holzskulpturen mit der Motorsäge! Dermaßen behelligt, ist es nicht gerade einfach für uns, seinen Redefluss zu unterbrechen. Dennoch lachen Regina und ich uns auf dem Rückweg zu unserer Herberge über die Episode schlapp.  Der Jakobsweg – ein Sammelbecken für verlorene Seelen!

Mein Weg nach Santiago
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