Der Anblick der zauberhaften Altstadt entschädigt mich jedoch rasch wieder für den erlittenen Schock. Wir flanieren durch die engen Gassen, setzen uns auf die sonnengewärmten Steinplatten neben dem Fluss und genießen den schönen Moment. Das ist das Wunderbare an der Pilgerei: jeden Tag darf man das Privileg genießen, als Gast in einem der unzähligen spanischen Dörfer und Städte zu verweilen. Im Geiste fertige ich bereits eine Liste von all den spanischen Orten entlang des Caminos an, die ich unbedingt noch einmal in meinem Leben besuchen möchte. Zurück auf der Plaza Mayor herrscht schon wieder emsiges Treiben. Die kleinen Straßencafés sind voll, jeder möchte ein Plätzchen in der Sonne ergattern, bevor sie hinter der Häuserkette des Hauptplatzes verschwindet. Das Bestellen fällt wieder mir zu, und so marschiere ich in die Bar und bestelle quer durch die Bank die präsentierten Pintxos an der Theke. Der Kellner lacht über unseren großen Appetit und als ich ihm erkläre, dass wir Pilgerinnen sind und die eine oder andere Kalorienbombe gut wegstecken können, da spendiert er uns, aus purer Sympathie heraus, die Runde Wein! Der purpurleuchtende Rosé Inurrieta Mediodía ist seine persönliche Empfehlung und wir genießen schwärmerisch jeden Schluck des edlen Tropfens. Es fühlt sich fast wie Urlaub an und beinahe vergisst man, dass man sich täglich im Schweiße seines Angesichtes unzählige Kilometer erwandert. Zum Sonnenuntergang möchte ich ein wenig Zeit für mich alleine genießen. Ich besorge mir ein Fläschchen Wein aus dem kleinen Feinkostladen welcher mir freundlicherweise gleich entkorkt wird ¡Qué aproveches, guapa!, (Genieße ihn, Hübsche) ruft mir der Verkäufer zu. Habe ich schon einmal erwähnt, wie sehr ich Spanien liebe??? Ich verziehe ich mich mit Wein und meinem Tagebuch hinunter an den Fluss. Das murmelnde Gewässer, die Stille um mich herum, die verschwimmenden Farben des Abendrots, dazu das Schreiben und der Wein haben einen meditativen Charakter. Ich ziehe Bilanz: Noch immer schmerzt mein linker Fuß und ich mache mir etwas Sorgen, ob der bevorstehenden Etappen. Morgen erreiche ich die Region La Rioja und den berühmten Weinbrunnen. Ab hier wollte ich die Kilometer meiner Tagesetappen erhöhen, wie es aussieht, ist mein Körper jedoch noch nicht bereit dafür… Nun gut, dann eben im Slow-Modus… Santiago wird mir ja nicht davon laufen!