Irgendwann bin ich erschöpft und mit meinem Negativismus am Ende. Ich ziehe meine Schuhe aus und lege mich unter einen Olivenbaum – von mir aus kann heute die Welt untergehen…Und danach passiert es: eine italienische Pilgergruppe fragt mich nett und höflich, ob es mir gut geht und ich Hilfe benötige? Alles Bestens, lüge ich, aber ihr Angebot, mit ihnen ein Stückchen weiterzugehen, nehme ich gerne an. Und das ist meine Rettung!!! Mit meinen bescheidenen Italienischkenntnissen und deren Spanischkenntnissen können wir uns gut unterhalten. Meine Schmerzen im Fuß sind kaum noch wahrnehmbar und die Gesellschaft der fünfköpfigen quirligen Gruppe tut mir gut! Plaudernd erreichen wir gemeinsam die Stadt Viana. Hier herrscht Ausnahmezustand, die Straßen sind voller Menschen weil irgendeine Fiesta im Gange ist. Die Gassen sind mit bunten Girlanden geschmückt, Partylaune pur und alle Bewohner tragen eine rot-weiße Tracht. Es ist Mittagszeit und ich werde eingeladen, mit meinen neuen italienischen Bekannten essen zu gehen. Wir verstehen uns prima und ich kann kaum glauben, dass ich noch vor wenigen Stunden einen Wutanfall schob. Die Frage, ob ich in Viana Halt mache oder weiter gehe, erübrigt sich – wie Selbstverständlich ziehe ich nach der Mittagspause mit den anderen weiter. Sie alle stammen aus unterschiedlichen Regionen Italiens und versichern mir, dass ich mindestens so italienisch wirke, wie sie selbst! Das große Interesse an meiner Person ist schmeichelhaft, vor allem nach meiner labilen Phase. Ich erfahre einiges über die regionalen Unterschiede ihres Landes, warum sie auf Pilgerreise unterwegs sind, wie lange sie schon wandern, wie weit sie wandern wollen und dass alle Logroño als heutiges Tagesziel angesetzt haben. Von der Landschaft nehme ich gar nichts mehr wahr, so vertieft sind wir in unsere Gespräche. Obwohl es unglaublich schwül ist und ich das Gefühl habe, dass meine Schuhsohle wie ein Kaugummi am staubigen Boden festklebt, bin ich dermaßen abgelenkt, dass wir es schließlich alle zusammen nach zweistündiger Wanderung bis nach Logroño schaffen. Am liebsten würde ich ihnen allen um den Hals fallen vor Freude und Dankbarkeit, dass sie wie die rettenden Engel zum richtigen Zeitpunkt heute in mein Leben getreten sind. Ich bin erschöpft, aber glücklich und vielleicht hat meine Raunzerei ja doch auf wundersame Weise Gehör gefunden!