Diesig ist es des Morgens und drückend schwül; düster und einsam liegt die Landschaft vor mir. Obwohl ich mich jetzt offiziell in der Region Kastilien-León befinde, führt der Jakobsweg trotzdem an einigen Abschnitten durch Wälder, Wiesen und Sonnenblumenfeldern vorbei. Ab dem Dorf Tosantos geht es dann kontinuierlich bergauf, hinein in die Wälder, auf eine Steigung von gut 900 Höhenmeter zu den Montes de Oca. Mahnmale und Kreuze sind entlang der Route angesiedelt. An besagten Stellen haben Pilger kleine Bänder angebunden, Jakobsmuscheln, Fotografien und kleine Texte mit Steinen fixiert, niedergelegt. Es wird zunehmend Wärmer, dennoch ist die Luft hier oben herrlich. Es duftet nach Wald und Pinienzapfen. Auf einer planierten Schotterstraße entdecke ich zu beiden Seiten des Waldes eine „Chillout-Area“ die sich „Oasis“ nennt. Ein bisschen vom Hippie-Flair inspiriert, liegen hier bunt bemalte Holzstücke herum, eine verzierte Gitarre hängt zwischen den Ästen und eine etwas abgedrehte groovige Musik beschallt den Ruhesuchenden. Ein Obststand am Rande des Weges sorgt indessen für das leibliche Wohl. Da mich mein Reiseführer schon gewarnt hat, dass es bis Burgos keinen Geldautomaten mehr gibt, muss ich jetzt ein wenig organisierter wirtschaften und versage mir den überteuerten Pilgersnack. Somit ruhe ich mich nur im Schatten ein wenig aus. Als ich so vor mich hin sinniere und entspanne, reißt mich ein fröhliches „Ciao Romana“ aus meinem Schwebezustand – ein wenig irritiert blinzle ich in die Richtung aus der die Stimme kam – da ist doch tatsächlich die italienische Pilgergruppe, die ich auf meinem Weg nach Logroño kennengelernt habe und die mir mit ihrem quirligen Gemüt geholfen hat, die letzten 10 km zu überwinden! Ich freue mich, meine pellegrini italiani wiederzusehen und wir begrüßen uns überschwänglich. Lachend verständigen wir uns wieder in diesem spanisch-italienischen Kauderwelsch, tauschen uns über unsere Reiseerfahrungen aus. Da wir sofort wieder einen Draht zueinander haben und ich mich in ihrer Gesellschaft wohl fühle, nehme ich das Angebot sehr gerne an, mit ihnen gemeinsam weiterzuwandern. In den letzten Tagen stand mir eher der Sinn nach Rückzug und Introspektion, wohingegen ich jetzt wieder für Reisegesellschaft bereit bin.